von Henriette Geber
Ich dachte, Meditation würde mir helfen
Mir helfen, besser zu schlafen
Den endlosen inneren Monolog zu beenden, der mich nachts wach hielt
Das ständige Analysieren und Kommentieren dessen, was den Tag über geschehen war
Oder letztes Wochenende
Oder vor sieben Jahren
Ich dachte, Meditation würde mir helfen, nicht mehr zwanghaft zu denken. Auch, wenn ich nicht nachts im Bett lag. Tagsüber, in meinem Alltag. Wenn ich mit anderen zusammen war, mit meinem Partner, meinen Freunden, meinen Kollegen. Ich dachte, es ist dieses nicht enden wollende Denken, das mich davon abhielt, einfach mit anderen zu sein, einfach ich selbst zu sein. Das dazu führte, dass ich im Zusammensein mit anderen falsch reagierte, falsch interagierte. Ich dachte, Meditation würde mir helfen, dieses unbewusste, ungewollte Verhalten, das eigentlich gar nicht ich war und dessen Analyse mich nachts wach hielt, zu beenden.
Ich dachte, Meditation sei ein Zustand, in dem man sich allem bewusst ist, in dem man volles Bewusstsein erlangt hat. In dem man im reinen Bewusstsein verweilt, einfach nur die Beobachterin ist. Beobachterin meines Körpers, meines Atems, meiner Gedanken. All dessen, was um mich herum geschieht. Ich dachte, Meditation würde mir durch dieses Mehr an Bewusstsein helfen, entspannter zu sein und gelassener mit Alltagssituationen umzugehen. Entspannter, gelassener – weniger reizbar, irritierbar, angreifbar. Weniger berührbar.
Und dann gab es noch diese Idee, eine achtsame Person zu werden. Jemand, der über dem Alltäglichen des Lebens steht. Die ein höheres Ziel hat, die sich einer höheren Wahrheit oder Realität bewusst ist. Die sich nicht so sehr mit allem identifiziert. Erhöhte Distanz. Das passte gut zu anderen Ideen über mich selbst: Weniger materialistisch zu sein, weniger zu konsumieren, nicht Karriere besessen zu sein, keine Familie zu wollen. In jeder Hinsicht, minimalistisch zu leben.
Aber am Ende war es Meditation, die mich die ganze Nacht wach hielt. Die Frustration, meine Gedanken nicht kontrollieren zu können. Die Frustration, nicht gelassen genug zu sein, unberührt von Alltagssituationen zu bleiben. Nicht einfach nur im Hier und Jetzt zu sein, sondern traurig und verärgert über Vergangenes und besorgt und verängstigt über Zukünftiges. Frustriert, dass ich diesen bewussten Zustand noch nicht erreicht hatte.
Die Frustration führte zu noch mehr Gedanken, Stress und Anspannung. Und weniger Schlaf. Oft war ich so verzweifelt darüber, dass ich diesen Terror in meinem Kopf, der auch irgendwie ich selbst zu sein schien, nicht loswerden konnte, dass ich weinte. Ich lag die ganze Nacht wach, hörte das Hörbuch zu Eckhart Tolles Jetzt, um nicht meine eigenen Gedanken hören zu müssen. Ich hatte das Gefühl, im Leben versagt zu haben. Ich hatte das Gefühl, mein richtiges Leben wird nie beginnen können, bevor ich meine Gedanken, mich selbst nicht im Griff hatte.
Veränderung kam nicht durch eine andere, bessere Methode, Eisbaden oder Breath Work. Sie kam durch die Einsicht, dass ich mich und mein Leben zum Problem machte. Dass ich in der Annahme lebte, dass ich an mir und meinem Leben arbeiten müsste. Mir Mühe geben müsste, es richtig zu machen. Dass ich noch nicht gut genug, richtig, ich selbst war. Erst, wenn ich das erreicht hätte, würde sich mein Leben zum Besseren wenden. Erst, wenn es gut genug war, würde ich es genießen können und würde ich mich richtig fühlen. Ich sah ein, dass ich Meditation als Methode nutzte, um dieses Ziel zu erreichen. Als eine Methode der Selbstoptimierung. Ich dachte, ich hätte eine bessere Methode und ein höheres Ziel gewählt, als der Rest der Gesellschaft. Ein spirituelles Ziel, kein materialistisches. Aber im Prinzip spielte ich das gleiche Spiel. Es gab einen Status, den ich erst erreichen musste, um glücklich zu sein. Bewusstseinszustand statt Kontostand.
Veränderung kam, als ich aufhörte zu glauben, dass ich alles gut und richtig machen muss. Als ich anfing zu spüren, dass ich mein Leben genießen darf. Und zwar nicht erst, wenn es perfekt war, wenn ich etwas erreicht hatte. Dass am Leben sein (und bleiben) bereits im Sinne des Lebens ein gelungenes Leben ist. Es ist eine Chance (Glück auf Französisch), die es anzunehmen, keine Bürde, die es mit Mühe zu bewältigen gilt. Veränderung kam durch die Einsicht, dass es kein Problem gab, dass es nie ein Problem gegeben hatte. Dass meine Gedanken, mein Leben, dass ich kein Problem bin. Dass ich, einfach nur dadurch, dass ich lebe, bereits Ausdruck des Lebens bin. So wie jedes andere Lebewesen. So wie eine Berglandschaft, wie der Sternenhimmel. Dass ich genauso Ausdruck der Schönheit und Kraft des Lebens bin. Zuckst du bei den Wörtern Schönheit und Kraft auch zusammen? Klingt kitschig, nicht? Allenfalls wie Poesie. Aber zuckst du auch zusammen, wenn von der Schönheit und Kraft eines Baumes oder des Meeres die Rede ist? Bei einem Neugeborenen? Bei deiner Geliebten? Ich auch nicht. Wieso dann bei uns selbst? Unsere Reaktion zeigt, wie tief die Annahme geht, dass wir von alledem, vom Leben getrennt sind.
Als ich diese Einsicht hatte, wohnte ich mitten in Berlin in einer kleinen Neubauwohnung in der 10. Etage. Nicht in der von der Zivilisation und dem modernen Leben unberührten Wildnis. Doch auch hier war Natur und Leben. Mein Balkon wurde regelmäßig von einem Eichhörnchen besucht. Ich liebte es, sie zu beobachten. Nie kam der Gedanke auf, dass dieses Eichhörnchen und sein Leben nicht richtig, nicht gut genug sein könnten. Im Gegenteil, ich staunte und bewunderte sie, wenn ich beobachtete, wie sie sich bewegte und herumkletterte. Wie sie die Nüsse, die ich auslegte, in ihren Pfoten hielt und frass, oder sie in Blumentöpfen versteckte. Bevorzugt Erdnüsse. Peanuts Leben war sicher nicht immer einfach und angenehm. In einem Jahr hatte sie drei mal Junge bekommen. Oft schien Peanut nur auf den Balkon zu kommen, um sich erschöpft in einem Blumentopf zum Schlafen einzurollen. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es doch komisch ist, dass ich annahm, ich und mein Leben seien nicht richtig. Und bei allem, was ich in der Natur wahrnahm, kam nie dieser Zweifel auf. Kein Eichhörnchen, kein Spatz und kein Baum schien nicht gut genug oder fehl am Platz zu sein. Kein Lebewesen schien nicht fähig zu sein oder noch nicht erfolgreich am Leben teilzunehmen. Niemand schien an sich selbst zu arbeiten, sich selbst zu trainieren, sich selbst zu stressen und zu drangsalieren. Warum sollte es bei mir anders sein?
Die Veränderungen und Einsichten kamen nicht von alleine. Dass ich und mein Leben kein Problem sind, sagte mir mein Yoga Lehrer Mark, als ich ihm während einer Online Klasse von meinen Schlafproblemen erzählte. “Mach dir keine Sorgen um deine Gedanken. Hör einfach auf zu meditieren. Mach täglich dein Yoga, ruh dich viel aus und genieß dein Leben. Du hast kein Problem, weil es kein Problem gibt. Das Leben ist kein Problem, das es zu bewältigen gilt.” Es traf mich, als Mark das zu mir sagte. Erleichterung, Entspannung trat ein. Ich hatte das noch nie gehört, wusste und spürte aber sofort, dass es stimmte. Ich hörte es zum ersten Mal, außen, ausformuliert. Es war aber etwas, das bereits da war, innen, latent. Und das sofort antwortete – Ja! Amen! Mark gab dem Worte, Gedanken, die mir halfen, diese Wahrheit zu verstehen. Die Yoga Praxis, die ich von ihm lernte, half mir, sie auch zu spüren und sie auszudrücken. Eine Yoga Praxis, die kein Üben, kein Verbessern war, keine Methode um etwas zu erreichen, etwas Höheres, Besseres. Einfach nur Ausdruck von und Teilhabe am Leben – a whole body prayer to life.
Meine Yoga Praxis ist Teil meines Alltags, ein alltägliches Ritual, wie Zähneputzen. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Praxis und Alltag, das eine fließt in das andere über, wechselseitig. Sie ist nicht mein Moment des Friedens und der Ruhe, des reinen Bewusstseins. Und danach geht es wieder in den Alltagskampf. Sie hat nicht dazu geführt, dass ich nicht mehr unkontrolliert denke, dass meine Gedanken manchmal sogar ziemlich anstrengend sind. Aber sie lässt mich täglich das Leben spüren, das ich bin. Das tragende Fundament, das den Gedanken einfach nur ihren Platz im Großen Ganzen gibt. Ein Platz, an dem sie immer wieder zur Ruhe kommen, weil sie dem Fundament vertrauen können. An dem sie nicht vergebens versuchen müssen, das Leben zu optimieren und unter Kontrolle zu bekommen. Aus Angst. Angst, die aus einer imaginierten Abtrennung vom Leben entsteht. Weil wir das Leben nicht mehr spüren, uns nicht als Teil des Lebens wahrnehmen. Uns und unseren Platz im Leben zum Problem machen. Ich hier, das Leben da. Nichts was trägt.
Meditation ist Teil der Yoga Praxis, Teil meiner Yoga Praxis. Asana, Pranayama, Dhyana.
Nur ist Yoga das Gegenteil von achtsam sein, beobachten, bewusst sein. Yoga ist Vereinigung, Verschmelzung. Absolutes involviert Sein. Und das kann nicht herbeigeführt und geübt werden. Es ist unser Zustand, immer. Am Leben sein heißt involviert, verbunden, interdependent sein. Meditation ist nichts, was wir willentlich praktizieren können. Wie schlafen! Einschlafen geschieht einfach, wir können uns nicht schlafen machen. Wir lassen uns in den Schlaf fallen.
Was passiert, wenn ich mein Leben jetzt einfach genieße?
Wenn ich aufhöre, an mir zu arbeiten?
Ich hatte manchmal Bedenken, dass ich faul werden würde. Was würde ich noch tun, wenn es den Druck nicht mehr gibt, besser zu werden, um gut genug zu sein? Würde an die Stelle von Weiterentwicklung Regression treten? Würde ich die Kontrolle über mich und mein Leben verlieren und irgendwann morgens nicht mehr aus dem Bett kommen? Nichts davon ist eingetreten. Im Gegenteil. Anstelle von Druck ist Lust getreten. Lust, Dinge zu tun und zu erleben. Auch, wenn sie manchmal anstrengend und herausfordernd sind. Ich spüre viel deutlicher, was ich will, meine Bedürfnisse und Wünsche. Und ich habe mehr Energie und Zuversicht, sie umzusetzen. Lebenslust, Freude ist nicht mehr das Ziel, die Belohnung, die auf dem Gipfel winkt. Sie ist das, was mich immer wieder auf den Weg schickt.
Mehr über Mediation
Zitate aus dem Buch “God and Sex – Now we get both” von Mark Whitwell, Andrew Raba und Rosalind Atkinson (Silver Snale Press 2019)
“Der Sinn des Lebens besteht darin, Erfahrungen anzunehmen, nicht, sich von ihnen zu lösen. Wir brauchen Intimität, nicht Meditation.” (S. 73)
“Uninformierte spirituelle Lehrer haben das alltägliche Leben – Essen, Familie, Arbeit, Beziehungen und Sex – auf den bloßen Inhalt Ihres Bewusstseinstrainings reduziert oder, schlimmer noch, als Hindernis dafür. Das ist ein Fehler. Diese scheinbar banalen Aktivitäten sind Ihre Realität, in sich vollständig und vollständig, kein Mittel zum Zweck oder Hindernis auf einem imaginären Weg. Der große Ratschlag aus den Weisheitstraditionen der Menschheit lautet, Ihre Erfahrung vollständig anzunehmen und mit ihr zu verschmelzen, die Erfahrung anzunehmen und sich auf sie einzulassen, anstatt sie nur wahrzunehmen oder nur zu beobachten.” (S. 75)
“Chaotisches und zwanghaftes Denken ist kein Konstruktionsfehler im menschlichen System, den wir mit Medikamenten oder Meditationen eliminieren müssen. Es ist die Intelligenz des Körper-Geistes, die uns wissen lässt, dass unser Geist sich von seiner Quelle abgekoppelt hat und an dem teilnehmen muss, was tatsächlich vor sich geht. Der Geist ist überaktiv, weil er denkt, dass es irgendwohin geht, und er versucht, uns dabei zu helfen, dorthin zu gelangen. Die Lösung besteht darin, alle tief verwurzelten Doktrinen in Bezug auf zukünftige Erhabenheiten loszulassen und eine partizipatorische Umarmung aller zu praktizieren, und nicht, um einen fragilen inneren Frieden zu erlangen, das ganze Chaos auszublenden. … Das Wegbewegen von tatsächlich greifbaren Bedingungen, um all dem Drama zu entfliehen, schafft das Drama.” (S. 76)
“In Wahrheit wird der Inhalt unseres gequälten Geistes durch einen Mangel an Intimität und Verlangen nach Verbindung verursacht. … Deshalb brauchen wir eine Philosophie der Intimität, nicht eine Philosophie der Loslösung. Klarheit des Geistes entsteht, indem wir unsere greifbare Verbindung zu dem annehmen, was bereits hier ist. Wir priorisieren unsere Beziehung zu unserer eigenen Verkörperung und unsere Beziehung zu anderen, einschließlich und insbesondere intime sexuelle Vereinigung. Das mag für diejenigen von uns ein wenig schwer zu schlucken sein, die Erleichterung von der völligen Identifikation mit ihren eigenen chaotischen Denkmustern erfahren haben und mit der wissenschaftlichen Forschung vertraut sind, die zeigt, dass Achtsamkeit Erleichterung bringt. An dieser Erleichterung ist nichts auszusetzen. Aber es gibt so viel mehr, das uns zur Verfügung steht! … Wir können jetzt die dissoziativen Praktiken der Transzendenz und des Bewusstseins in die entgegengesetzte Richtung der Verbindung mit und der Fürsorge für Mutter Natur und das Leben auf der Erde lenken “ (S. 77, 78)
“Die frühesten Wurzeln der meisten modernen Meditationstechniken und -lehren liegen in der alten indischen Kultur der Veden, einer Kultur, in der Gott, Gottheit, Guru, Ehepartner, der Körper und die gesamte sichtbare und unsichtbare elementare Welt als eine Realität entstanden. Die Art dieser Kultur war eine vernarrte Beziehung zu allem, nicht die Kontemplation auf ein zukünftiges Ergebnis, in der das menschliche Leben und alles Leben als weniger wert angesehen wird. Meditation ist Handeln, das sich durchaus in ruhige Zeiten des motivlosen Sitzens verwandeln kann, in sich selbst verweilend in und als der absolute Zustand, der als der ganze Körper in seiner inneren Harmonie und Verbindung mit dem ganzen Leben entsteht. Das heißt, sich selbst verweilend in Beziehung. Es existiert jedoch nicht als Übung für sich. Die Kraft der Achtsamkeitsmeditation entsteht auf natürliche Weise als Teil des gesamten Lebens, ein Geschenk unserer Intimität mit unserem Leben. … Die zeitgenössische Meditationskultur hat einen fruchtbaren Boden für Ideen der Unzulänglichkeit und Selbstverbesserung geschaffen, auf dem sie gedeihen können. … Was ist Meditation? Es ist die inhärente Gefühlsverbindung von Geist und Körper mit dem, was bereits der Fall ist, dem natürlichen Zustand. Sie kann nicht willentlich herbeigeführt werden, sondern entsteht auf natürliche Weise in einem Leben inniger Verbundenheit. Sie ist in allen natürlichen Intimitäten vorhanden, von einem Kuss bis zur Berührung eines Blattes oder dem Wind auf Ihren Beinen. So wie Sie sich nicht willentlich einschlafen lassen können, können Sie auch nicht meditieren. Der Versuch zu schlafen verhindert den Schlaf. Der Versuch zu meditieren verhindert die Meditation. Sie entsteht auf natürliche Weise als Geschenk, wenn die Bedingungen der Intimität vorhanden sind. Wenn Sie den Atem mit dem ganzen Körper verbinden, folgt der Geist automatisch dem Atem. Der Geist wird daher mit dem ganzen Körper verbunden, der die Kraft, die Intelligenz und die Schönheit und Harmonie des Kosmos ist. Der Geist fühlt sich als Funktion seiner Quelle, die das Leben selbst ist, entstehend. Der Geist hat kein Problem. Sie müssen sich nicht ständig daran erinnern, „jetzt hier zu sein“. Sie sind jetzt hier. … Die Praxis des Lebens besteht darin, mit der Wahrnehmung zu verschmelzen (Körper, Atem und Beziehung in dieser Reihenfolge). Der Geist ist für diese Verschmelzung gedacht. Er ist nicht für die Trennung gedacht.” (S. 78, 79, 80)